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Mazura: Ein Abenteuer mit Axt, Feder und Flummel by Verena Pophanken, Serena Merian, Elin Nelier, Celina Müller-Probst, Marco Geiger, Tea Loewe, Bjela Schwenk, Markus Gerwinski, Zoe S. Rosary, Josefine Schwobacher, Lavea Thoren, Allegra Bork, Olaf Raack, Johanna T. Hellmich, Elin Bedelis, Calvin Cozym, Tobias W. Krampitz, Martina Volnhals, Jon Barnis, Malte Aurich
4.75
adventurous dark funny hopeful inspiring mysterious medium-paced
Plot or Character Driven: Plot
Strong character development: Yes
Loveable characters: Yes
Diverse cast of characters: Yes
Flaws of characters a main focus: Yes

Anthologie mal anders 
 
Ich liebe das Konzept so sehr! 
Mazura, die Wächterin des Turms, braucht 20 Gegenstände (Artefakte), die den früheren Bewohnern des Turms gehört hatten, aber nun in der Hölle schmoren. Mit den neuen Bewohnern erscheinen die Gegenstände wieder plötzlich, und wenn Mazura sie nicht einfängt, könnten die Toten ins Land der Lebenden zurückfinden. 
Der Turm ist aber groß, 20 Gegenstände nicht gerade wenig und das Ganze leichter gesagt als getan. Da es sich bei den neuen Bewohnern um Schriftsteller handelt, und die Gegenstände nicht praktischerweise griffbereit in deren Zimmern herumliegen, sondern immer zwischen ihren Welten wandern, muss Mazura ihre Geschichten lesen/erleben/hören, … oder auch in sie durch Gewalt hineingerissen werden..., um an die Artefakte zu gelangen. 
 
Die 20 Geschichten sind die eigentliche Anthologie sozusagen, und dazwischen hat sich der Verlag eben noch eine Rahmenhandlung ausgedacht, um alles miteinander zu verbinden. 
Außerdem ist es auch so eine geniale Sache, da man so das Verlagshaus (der Turm) und die Mitarbeiter (die Chronisten) kennenlernt! 
Und es zeigt, dass jeder Schriftsteller anders seine Welten besucht. Die einen erleben es live, also wie ein Tagtraum; andere träumen schlafend; andere beamen sich in ihre Texte hinein, andere erzählen oder lesen vor, andere werden von ihren eigenen Charaktere gezwungen, ihre Geschichte weiterzuschreiten, etc. 
 
Die Kapitel sind jeweils so aufgebaut: 
Mazura sucht einen Chronisten auf und wir lernen diesen mit ihr kurz kennen -> dann wandern wir in eine Kurzgeschichte, um das Artefakt zu besorgen -> sobald wir das haben, folgt der Übergang zur nächsten Einleitung, wo man oft was von Mazura selbst erfährt. Und so weiter. Also im Prinzip hat jedes Artefakt 2,5 Kapitel. 
 
 
Die Kurzgeschichten sind alle interessant, vor allem wie gut sich die Artefakte in die jeweiligen Welten einfädeln, gut geschrieben und bei manchen wünscht man sich gleich eine Fortsetzung. Einige Geschichten haben tatsächlich bereits geschriebene Fortsetzungen oder waren Spin-Offs von bereits veröffentlichen Geschichten. Ein paar davon hab ich mir gleich auf die Merkliste getan. 
Meine persönlichen Favoriten waren: der Dschinn und der Hexenmeister, die Geisterjagd in der Bibliothek, das Schwert auf dem Hügel, die Auren-Magier, der zweite Sohn aus dem See, der Alptraum, und das Piratenschiff. Die anderen sind aber auch sehr gut! 
Die Zimmer fand ich alle toll; ich glaub, da könnte ich mir keine Favoriten aussuchen. Interessant, wie man dadurch einen kleinen, aber feinen Einblick in das Leben der Chronisten bekommen hat, und wie die Ausstattungen den Charakter der jeweiligen zeigt. 
 
Da die Kurzgeschichten aber alle sehr verschieden sind, war das einer der Gründe, warum ich das Buch nicht so schnell lesen konnte, obwohl ich eigentlich ein recht schneller Leser bin. Es liegt nicht an meinem Spaß, denn den hatte ich auf jeden Fall, also keine Sorge. Nach 3 Kurzgeschichten auf einmal fand ich es aber dann doch zu viel für einen Tag – wie soll man es erklären… zu viele Informationen auf einmal, sozusagen. Es fühlte sich an, als hätte ich 3 ganze Bücher (/Novellen) gelesen. (Die Handlung geht ungefähr einen Tag lang, angefühlt hat es sich aber wie 20 Tage… ob sich Mazura auch so gefühlt hat?) 
Außerdem sind sie alle gut durchdacht und haben Tiefe, weshalb ich es nicht fair fand, die Geschichten alle nacheinander einfach zu verschlingen. 
Als würde man 20 (bzw. 21 mit der Rahmenhandlung) Gerichte in einem Restaurant an einem Abend essen – ja, ich denke das ist der beste Vergleich. Wie auch das Essen in einem Restaurant, will ich Bücher, die ich lese, genießen, und brauche nach einer Geschichte immer ein bisschen eine „Ausschnaufpause“, um die Geschehnisse zu verarbeiten und die Welt gut zu verdauen (auch wenn nichts Schlimmes darin passiert ist). 
 
Ich denke, das beste wäre, wenn man das Buch wie einen Adventskalender liest, also ein Artefakt pro Tag/Türchen. 
 
Die Rahmenhandlung war ebenfalls toll und es war schön, Mazura langsam kennenzulernen. Genau wie die Chronisten, werd auch ich sie vermissen. 
 
 
Es ist auf jeden Fall eine geniale Idee, und da Mazura die Wächterin von 64 Türmen ist, schreit das nach einer Fortsetzung bzw. Spin-Offs. Zumindest kann man da echt viel machen... zum Bsp. Kollaborationen mit anderen Verlagen oder Autorengruppen, die in den anderen Türmen wohnen… kurbelt richtig die Kreativität an. 
Was auch immer die Chronisten mit Mazura und Mjü machen, also auf welches Abenteuer sie sie als nächstes schicken, ich werd definitiv wieder dabei sein und freue mich, die beiden wieder zu sehen (irgendwann). 
 
Das Ende war auch schön und den kleinen Twist mit einem Charakter hab ich echt nicht erwartet. 
 
 
Bonus: 
 
Mazura hat nur einen Arm, was eine tolle Repräsentation ist, was körperliche Einschränkungen angeht. Merken tut man ihr das aber nicht an, und wäre es nicht einmal erwähnt worden, wäre es mir vermutlich entgangen. Es ist toll, „andersaussehende“ Protagonisten zu haben (mal davon abgesehen, dass sie ein Troll ist), die aber sich nicht von den Einschränkungen einschränken lassen, bzw. die Geschichte nicht darüber ist. 
Das betrifft auch den Bösewichten ein wenig, aber ich will nicht spoilern, also… Auch er hat körperliche Einschränkung, aber welche das ist, könnt ihr schön selbst lesen. War eine nette Überraschung jedenfalls. 
 
Es gab auch ein paar queere Charaktere – naja, so ganz wurde das nicht gesagt, also keine Labels benutzt, aber angedeutet. Ein Transmann wurde immerhin von der Autorin bestätigt. <3 
Queere Beziehungen gab es nicht wirklich, bisschen angedeutet eventuell, dass es in die Richtung gehen könnte, aber sonst nichts bestätigt. 
 
Ich find schön, dass es etwas Diversität gibt, aber in dieser Hinsicht hätte ich mir vielleicht etwas mehr gewünscht. Andererseits war aber auch toll, dass generell keine Labels benutzt wurden, was Sexualitäten & Co angeht, auch nicht bei den Hetero-Paaren. 
Und es war sowieso fast kein Romance, was für mich auch ein Pluspunkt ist. (So konnten sich die Autoren mehr auf das Worldbuilding konzentrieren.) 
(Aber ein paar queere Paare im Hintergrund hätte nicht geschadet, wenn's auch nur ein Satz wäre.) 
 
 
Also vielen Dank an die Chronisten für ein Rezensionsexemplar und dass ich bei der Leserunde mitmachen durfte! 
Fand auch schön, dass einige Autoren dabei waren und mehr Einsichten in ihre Welt gegeben haben. Vor allem was Jon und Mazura angeht. ;) 
 
Die Illustrationen bei dem Kapiteln sind übrigens auch alle sehr schön, ebenso wie das Cover! 
 
-10.12.23